Das Gebiet um den Hintertuxer Gletscher besteht zum größten Teil aus Zentralgneis, jedoch ist in diesem Gestein eine Höhlenbildung unmöglich. Aufgrund der komplizierten tektonischen Situation dieses Gebietes wurde während der alpidischen Gebirgsbildung eine Marmorader zwischen das Gneisgestein eingelagert. In dieser etwa 25 m dicken Marmorader, die vom Spannagelhaus Richtung Hintertux liegt, befindet sich das Höhlensystem.
Die kargen Überreste ehemaliger Organismen wurden am Grunde eines Schelfmeeres abgelagert, dessen Tiefenwasser, und das lässt sich trotz der Gesteinsmetamorphose noch gut nachweisen, lebensfeindlich, d.h. arm an Sauerstoff gewesen sein muss.
Im Falle des hinteren Tuxertales wissen wir, dass diese Gesteine erst in geo-
logisch junger Zeit nach einer Phase der tiefen Versenkung in die Erdkruste wieder herausgehoben wurden.
Ersterer Prozess der „Talfahrt” in Richtung Erdinneres geschah im Zuge der alpidischen Gebirgsbildung, als Decken weiter südlich gelegener Krustensegmente über die heutigen Zentralalpen geschoben wurden und den Marmor etwa 25 km tief in der Erdkruste gelagert haben. Bei den dort herrschenden Bedingungen (bis cirka 550°C und bis zu 10.000 bar Druck) reagieren Gesteine bereits plastisch und es kommt zu einer Umwandlung ihres Mineralbestandes (Metamorphose), die im Falle des Spannagelhöhlensystems aus einem marinen Kalk des Oberen Jura einen Marmor geformt hat.
Vor 20 Millionen Jahren begann die „Liftfahrt nach oben“, es rissen Spalten im Gestein auf, heiße Lösungen traten ein und es bildeten sich die bekannten alpinen Zerrkluft-Minerale, Bergkristalle usw. Die Verwitterung und Erosion trägt fast genauso viel Material ab, wie seit dem Beginn dieses sog. „uplifts“.
Das Zusammenspiel von langsamer Heraushebung und Erosion führt letztendlich dazu, dass der Alpinist in den westlichen Zillertaler Alpen heute über Gesteine steigt, die noch vor cirka 20 Millionen Jahren im Erdinneren gelagert waren.
Das Spannagelhöhlensystem ist heute zum größten Teil hydrologisch fossil. Gemeint ist hier die rasch fließende Wasserkomponente, die in der grauen Vorzeit mit großen Schüttungsmengen und unter gänzlich anderen Rahmenbedingungen Gänge und Hallen geschaffen hat.
Die heute in der Höhle anzutreffenden Höhlenbäche sind allesamt Rinnsale im Vergleich zu dem, was sich ursprünglich in dieser Höhle abgespielt hat. Im Spätwinter sinkt deren Schüttung auf Bruchteile davon ab, bzw. verschwinden gänzlich.
Neben der rasch abfließenden Komponente gibt es noch ein breites Spektrum an Sickerwässern, die als Tropfstellen in der Höhle auftreten und die für die Sinter-Dekoration der Höhle verantwortlich sind. Die Bandbreite reicht von korrodierenden Tropf- bis Spritzwassern, über sinterbildende Wässer bis zu ganz langsam tropfenden Stellen, an denen durch langsame Verdunstung sogar Gips auskristalliert.
Ein Charakteristikum dieser größten Höhle Tirols ist die Tatsache, dass der Eingang direkt unter dem Spannagelhaus zugleich der oberste Punkt des Höhlensystems ist. Über diverse Zufuhrwege der Luft in die unteren Höhlenteile, besonders in das Nordsystem ist wenig bekannt. Tatsache ist aber, dass besonders im Nordsystem Luftzug spürbar ist. Dieser kann in eng begrenzten Passagen durchaus unangenehme Windstärken erreichen.
Die Bewetterung der Spannagelhöhle folgt dem Kamin-Effekt: die Höhlentemperatur liegt bei +2°C, ist die Außentemperatur niederer, so zieht die Luft nach oben und es bläst am Eingang relativ warm hinaus und umgekehrt.